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Dokument 203  >

Schreiben des Reichsministeriums des Innern über die Regelung der Staatsangehörigkeit in den besetzten slowenischen Gebieten[1]

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BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/952, (7 S., vervielf).
2
Über die Runderlasse siehe Dok Nr. 153, Anm. 2.
3
Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Reichsministerium des Innern in Berlin.
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Ministerialrat Dr. Hans Globke, Referent in der Abteilung I des Reichsministeriums des Innern in Berlin.
5
SS-Hauptsturmführer Heinz Hummitzsch, Referent im Amte III B (Volkstum und Volksgesundheit) des RSHA in Berlin, ehemaliger Stabsführer im Umsiedlungsstab Untersteiermark.
6
Dr. Helmut Glaser, ehemaliger Stabsführer im Umsiedlungsstab in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains.

Der Reichsminister des Innern
I e 5334 X/`41 - 5000SO

NW 7, Unter den Linden 72
Fernsprecher: Ortsanruf 12 00 45
Fernanruf 12 00 37
Fernschreiber: Ortsverkehr 517
Fernverkehr K I 547
Drahtanschrift: Reichsinnenminister

Berlin, den 25. Februar 1942.

An
den Chef der Zivilverwaltung
in Klagenfurt
den Herrn Reichsstatthalter in Kärnten in Klagenfurt.

Vertraulich!

Anlage: Auszug aus der Niederschrift über die Beratungen in Klagenfurt vom 19. 11. 1941.
Runderlass über den Erwerb der Staatsangehörigkeit in den befreiten Gebieten der Untersteiermark und Oberkrains.

Ich habe nunmehr auf Grund des Ergebnisses der in Graz am 20. 11. 1941 abgehaltenen Besprechungen die Ausführungsbestimmungen zur Verordnung vom 14. 10. 1941 in der aus der Anlage ersichtlichen Form erlassen, Im Hinblick auf die Entwicklung der Lage in Krain habe ich zunächst davon abgesehen, die Bestimmungen über die Abgrenzung des Kreises der heimattreuen Bevölkerung in den befreiten Gebieten Oberkrains jetzt schon zu erlassen.[2] Ich bitte um Mitteilung, ob Sie an den vom CdZ in der Besprechung vom 19. 11. 1941 vorgetragenen Wünschen, wonach bei der Abgrenzung der heimattreuen Bevölkerung in den befreiten Gebieten Kärntens und Krains ebenso wie in der Untersteiermark auf die vorläufige Mitgliedschaft beim Kärntner Volksbund abgestellt werden soll, festhalten, oder ob Sie hierüber andere Vorschläge zu machen haben.

In Vertretung
Dr. Stuckart[3]

Auszugsweise Abschrift zu I e 5334 X/41 -5000 SO

Vertraulich!

Im Hinblick auf die neuerliche Entwicklung der Volkstumsverhältnisse und die Aufstandsbewegung in Krain wurde der Entwurf der Ausführungsbestimmungen zur Verordnung vom 14. 10.1941 am 19. 11. 1941 in Klagenfurt bei der Behörde des Reichsstatthalters mit den aus der anliegenden Anwesenheitsliste ersichtlichen Vertretern der geladenen Dienststellen von MR. Dr. Globke und ORR. Hoffmann durchbesprochen. MR. Dr. Globke[4] wies einleitend darauf hin, dass Hauptgegenstand der Besprechung die Regelung der Staatsangehörigkeit auf Widerruf sei, die nach dem bisherigen Entwurf mit der vorläufigen Mitgliedschaft beim Kärntner Volksbund verkoppelt werden solle. Nun hätten sich angeblich 90 % der Einwohner von Oberkrain für den Volksbund gemeldet; es werde daher ein sehr grosser Kreis von Menschen vom Volksbund erfasst, damit entstünde die Gefahr, dass sich hierbei unzuverlässige Elemente miteinschlichen, denen man auf keinen Fall die Staatsangehörigkeit auf Widerruf verleihen könne. Man müsse daher vor der Verleihung der Staatsangehörigkeit auf Widerruf prüfen, ob die Voraussetzungen für eine baldige Eindeutsehung dieses Bevölkerungskreises tatsächlich gegeben sind.

Stellvertretender Gauleiter und CdZ Kutschera führte aus, dass auf Grund der rassischen Überprüfungen jetzt eine Auslese der Anwärter durch den Kärntner Volksbund getroffen würde. Hierbei würden diejenigen ausgeschieden, die irgendwie mit dem Bandenunwesen etwas zu tun hätten; diese unzuverlässigen Menschen könnten von der vorläufigen Mitgliedschaft von vornherein ausgeschlossen werden.

MR. Dr. Globke stellte fest, dass hiernach doch ein sehr grosser Teil der Gesamtbevölkerung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit auf Widerruf übrig bleibe. Er bat zu prüfen, ob man nicht nur einen bestimmten Teil dieser vorläufigen Bundesmitglieder zu Staatsangehörigen auf Widerruf machen könnte; man könnte auf diese Weise erreichen, dass nur die wirklich zuverlässigen und deutsch eingestellten vorläufigen Bundesmitglieder die Staatsangehörigkeit erwerben. Die übrigen müssten zunächst wohl als Anwärter geführt werden. Bei den späteren Übernahmen weiterer Mitglieder in die vorläufige Mitgliedschaft könnte man wohl grosszügig vorgehen, weil bis dahin die Bewohner Krains von den Staats- und Parteidienststellen besser beurteilt werden könnten.

Der Stellv. Gauleiter Kutschera lehnte diesen Vorschlag ab, weil es unter der Bevölkerung Krains nur Streit und Eifersucht hervorrufen würde, wenn man nun 3 statt 2 Kategorien von Bundesmitgliedern schaffe. Bewusste Deutsche seien diese Bewohner von Krain natürlich zunächst noch nicht, das beweise schon ihr Sympathisieren mit den Banden, das den Leuten zunächst nicht auszutreiben sei. Vor allem die Altersstufen zwischen 25 und 40 Jahren könnten unmöglich in zwei Jahren bewusste Deutsche werden. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit auf Widerruf an diesen Mensehenkreis könne allein damit begründet werden, dass es sich um Menschen überwiegend deutschen Blutes handele. Die Gesinnung sei zwar wandelbar, entscheidend sei aber das Blut.

Der Vertreter des Reichssicherheitshauptamts (Herr Hummitzsch)[5] wies darauf hin, dass bei der sofortigen Übernahme von 80 % der Bevölkerung in die deutsche Staatsangehörigkeit bei denjenigen, die nicht in den Bund übernommen würden, grosse Unruhe entstehen könnte, weil sie daraus auf die Möglichkeit einer späteren Evakuierung schliessen müssten. Er trat daher für den Vorschlag von MR. Dr. Globke ein. Wenn man den grössten Teil der Bevölkerung jetzt schon zu Staatsangehörigen auf Widerruf mache, verbaue man sich die Möglichkeit zu stärkeren Eingriffen, wie sie gegen Schutzangehörige möglich seien.

Hauptabteilungsleiter Schubert schlug als Vertreter des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums vor, die Verleihung der Staatsangehörigkeit auf Widerruf mit dem Gesinnungswandel zu verbinden und daher das Gros der Bevölkerung noch nicht zu Staatsangehörigen auf Widerruf zu machen. Notwendig sei zunächst nur die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit auf Widerruf an einen besonders ausgelesenen, gesinnungsmässig zum Deutschtum neigenden Bevölkerungskreis.

Stellv. Gauleiter Kutschera erwiderte, man müsse die Bewohner Krains in Sprache und Gesinnung wandeln; deshalb sei er dafür, möglichst vielen die Staatsangehörigkeit auf Widerruf zu geben. Der Vorschlag des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums störe die ganze politische Aufbauarbeit im CdZ-Bereich. Propagandamässig stelle man den Einwohnern von Krain immer wieder vor, dass sie keine Slowenen, sondern Abkömmlinge untergegangenen Deutschtums seien.

Hauptabteilungsleiter Schubert wies demgegenüber darauf hin, dass auch die rassisch wertvollen Polen, die nach § 6. der Verordnung vom 4. März 1941 - RGBl. I. S. 118 - eingedeutscht werden sollen, zunächst nicht Staatsangehörige auf Widerruf würden.

Der Stellv. Gauleiter Kutschera beharrte jedoch weiter darauf, dass er alle Möglichkeiten zur politischen Einwirkung auf die Bewohner Krains anwenden müsse, und dass er daher die Möglichkeit haben müsse, einen grossen Teil der Bevölkerung als heimattreu und damit als Staatsangehörige auf Widerruf anzuerkennen.

Dr. Glaser[6] als Vertreter des Chefs der Sicherheitspolizei in Kärnten führte aus, dass die Klarstellung der Staatsangehörigkeitsfragen auf den verbleibenden Bevölkerungsteil von etwa 20 %, die Schutzangehörige würden, politisch sehr ungünstig wirken müsse. Dagegen bestünden keine Bedenken, den Schutzangehörigen in Krain einzelne Rechte der Staatsangehörigen zu verleihen. Ausserdem würde die Verleihung der Staatsangehörigkeit auf Widerruf an 80 % Bewohner Krains auf die deutsche Bevölkerung Altkärntens ebenfalls einen schlechten Eindruck machen.

Der Stellv. Gauleiter Kutschera trat energisch für eine baldige Klarstellung der Staatsangehörigkeitsverhältnisse in Krain ein. In welchem Zeitpunkt diese Klarstellung erfolge, sei belanglos.

MR. Dr. Globke stellte fest, dass demnach der Tatbestand geklärt sei, dagegen noch nicht die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. 80 % der Bevölkerung sei rassisch hochwertig, sie bekenne sieh aber noch nicht entschieden zum Deutschtum. Deshalb hätte ein Teil der anwesenden Dienststellen Bedenken, Menschen, die sich gesinnungsmässig noch nicht zum Deutschtum bekennen, jetzt schon zu Staatsangehörigen auf Widerruf zu machen. Auf der anderen Seite werde die blutmässige Abstammung für wichtiger als die Gesinnung gehalten. Welcher Blutsanteil sich bei der völksich gemischten Bevölkerung im Einzelfall durchsetzen werde, sei von vornherein nicht abzusehen. Es sei eine alte Erfahrung im Volkstumskampf, dass gerade Menschen mit deutschem Bluteinschlag zu den hartnäckigsten Gegnern Deutschlands werden können. Die Aufnahme solcher nur teilweise deutschstämmigen Menschen in den deutschen Staatsverband sei gefährlich, weil man nicht wisse, ob sich nicht der fremde Blutsanteil durchsetze.

Stellv. Gauleiter Kutschera erwiderte, dass vor Sabotagehandlungen weder die Schutzangehörigkeit noch die Staatsangehörigkeit auf Widerruf schütze.

Der Vertreter des Reichssicherheitshauptamts trat nochmals für den vorn RMdI. vorgeschlagenen Einbau einer weiteren Schleuse innerhalb des Bundes ein; diese müsse die politischen Pläne des Gauleiters keineswegs hindern.

Stellv. Gauleiter Kutschera äusserte jedoch weiterhin Bedenken gegen diesen Vorschlag. Es sei propagandistisch sehr schwer zu erklären, warum ein Teil der Bevölkerung noch nicht zu Staatsangehörigen auf Widerruf gemacht werden könnte. Die Auswahl derjenigen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit gleich verliehen werden sollte, stelle den Volksbund vor die grössten Schwierigkeiten.

MR. Dr. Globke schlug dann folgende Lösung vor: Angesichts der grossen Zahl von Anmeldungen sei es für den Volksbund technisch sowieso kaum möglich, die Aufnahmeaktion vor einem Jahr abzuschliessen. Man könnte deshalb daran denken, für jeden Monat bestimmte Aufnahmekontingente festzulegen und dann den unerwünschten Bevölkerungsteil bei diesen Aufnahmen zunächst bis zum Schluss der Aufnahmeaktion zurückzustellen. Die Einwohner Krains sehen dann, dass überhaupt laufend Menschen in den Bund aufgenommen werden; wenn man die Aufnahmefrist auf diese Weise auf zwei Jahre erstrecke, so komme man der vom Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums zunächst geforderten Probefrist tatsächlich näher.

Stellv. Gauleiter Kutschera erklärte sich hiermit grundsätzlich einverstanden. Er sei dafür, dass die einzelnen Bewerber vor der Aufnahme durchgesiebt würden. Dies dürfe aber nicht zu einer wesentlichen Verlangsamung des Aufnahmetempos führen; sonst entfalle für die Gauleitung die Möglichkeit, das Selbstvertrauen der Bewohner Krains zu stärken.

MR. Dr. Globke: Man könnte intern die zu erwartenden technischen Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Aufnahmeanträge bewusst zu einem politischen Mittel machen, um diejenigen sofort hereinzunehmen, die man haben will, und um diejenigen zunächst draussen zu lassen, deren man nicht sicher sei.

Stellv. Gauleiter Kutschera wies darauf hin, dass die staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Bewohner Krains sich von der der Bewohner der Untersteiermark nicht unterscheiden dürfe.

Er glaube, dass auch die Wehrmacht dagegen Bedenken habe, die Staatsangehörigkeitsverhältnisse eines grossen Teiles der Bevölkerung weiter ungeklärt zu lassen. Die alsbaldige Verleihung der Staatsangehörigkeit werde die Bewohner von Oberkrain auch gesinnungsmässig an Deutschland fesseln. Da bei der Aufnahme als vorläufige Mitglieder die politisch untragbaren Elemente bereits ausgeschieden würden, sei der Einbau einer weiteren Schleuse innerhalb des Bundes nicht notwendig.

MR. Dr. Globke wies darauf hin, dass die Kartenausstellung an sich schon über ein halbes Jahr erfordern werde. Der Gauleiter habe sich mit einer Aufnahmefrist von 1 bis 1,5 Jahren einverstanden erklärt. Wenn man alle bedenklichen Fälle bis ans Ende der Aufnahmefrist zurückstelle, würde sich der vom Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums erwünschte Erfolg erzielen lassen.

Der Stellv. Gauleiter Kutschera erklärte, der politische Vorteil sei jedenfalls grösser, wenn die Entscheidung über die Staatsangehörigkeit jetzt gleich falle. Der Nachteil einer Verzögerung der Aufnahme sei sehr gross. Die Schutzangehörigen dürften nur eine kleine Minderheit im Gau darstellen.

MR. Dr. Globke behielt sich die abschliessende Entscheidung des RMdI. zu diesen Fragen vor.

Zu I e 5334 X/41-5000 SO

A n w e s e n h e i t s l i s t e

Name Dienststellung Behörde
Hering Min. Dirigent Reichsmin. d. Innern
Dr. Globke Ministerialrat Reichsmin. d. Innern
Hoffmann Oberregierungsrat Reichsmin. d. Innern
Dr. Essen Oberregierungsrat Reichsmin. d. Innern
Dr. Sierp Oberregierungsrat Reichsmin. CdZ. Veldes
Dr. Malz? SS-Stubaf. RSHA.
Dr. Neesse Oberregierungsrat Partei-Kanzlei
Dr. Wetz Oberregierungsrat CdZ. Untersteiermark
Dr. Pennhauer? SS-Oberstf. RfSS, Reichskommissar
(unleserlich)
Dr. Krause Assessor AA.
Dr. Schwagula Vort. Leg. Rat AA.
1
BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/952, (7 S., vervielf).
2
Über die Runderlasse siehe Dok Nr. 153, Anm. 2.
3
Wilhelm Stuckart, Staatssekretär im Reichsministerium des Innern in Berlin.
4
Ministerialrat Dr. Hans Globke, Referent in der Abteilung I des Reichsministeriums des Innern in Berlin.
5
SS-Hauptsturmführer Heinz Hummitzsch, Referent im Amte III B (Volkstum und Volksgesundheit) des RSHA in Berlin, ehemaliger Stabsführer im Umsiedlungsstab Untersteiermark.
6
Dr. Helmut Glaser, ehemaliger Stabsführer im Umsiedlungsstab in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains.

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